Quellensammlung Teil A

2: Britische Mandatszeit (1) 1918-1933
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A2.1. Das Völkerbundmandat, 24. Juli 1922 (Auszug)

In Anbetracht dessen, daß die alliierten Hauptmächte zur Durchführung der Bestimmungen des Artikels 22 der Völkerbundsatzung übereingekommen sind, die Verwaltung des Territoriums von Palästina, das früher zum türkischen Reich ge-hörte innerhalb der von ihnen zu fixieren Grenzen einem von den erwähnten Mächte zu wählenden Mandatar anzuvertrauen, und daß die alliierten Haupt-mächte ferner übereingekommen sind, daß der Mandatar verantwortlich sein soll für die Verwirklichung der ursprünglich am 2. November 1917 durch die Regierung Seiner Britischen Majestät erlassenen und von den erwähnten Mächten anerkann-ten Deklaration zugunsten der Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina, wobei klar verstanden ist, daß nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und die religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Ge-meinschaften in Palästina oder die Rechte und die politische Stellung, deren sich die Juden in irgendeinem anderen Lande erfreuen, beeinträchtigen würde; und daß dadurch die Anerkennung der historischen Verknüpftheit (historical connection) des jüdischen Volkes mit Palästina und der Grundlagen für die Wiedererrichtung seiner nationalen Heimstätte in diesem Lande erfolgt ist; […] werden die Bestimmungen des erwähnten Mandates wie folgt bestätigt: […]

Artikel 2. Der Mandatar soll dafür verantwortlich sein, daß das Land unter solche politische, administrative und wirtschaftliche Bedingungen gestellt wird, welche die Errichtung der jüdischen nationalen Heimstätte, wie in der Einleitung niedergelegt, und die Entwicklung von Selbstverwaltungsinstitutionen sowie die Wahrung der bürgerlichen und religiösen Rechte aller Einwohner Palästinas, ohne Unter-schied der Rasse und Religion, sichern. […]
 

Vgl. Karte Geo Epoche Die Wurzeln des Nahostkonflikts

 

 

 

 

 

 

 

Artikel 4. Eine angemessene jüdische Vertretung (,,Jewish Agency") soll als eine öffentliche Körperschaft anerkannt werden zu dem Zweck, die Verwaltung Palästi-nas in solchen wirtschaftlichen, sozialen und anderen Angelegenheiten zu beraten und mit ihr zusammenzuwirken, die die Errichtung der jüdischen nationalen Heim-stätte und die Interessen der jüdischen Bevölkerung in Palästina betreffen, und, immer vorbehaltlich der Kontrolle durch die Verwaltung, an der Entwicklung des Landes zu helfen und teilzunehmen.

Die Zionistische Organisation soll, solange ihre Organisation und Verfassung nach der Meinung des Mandatars angemessen sind, als solche Vertretung aner-kannt werden. Sie soll im Einvernehmen mit seiner Britischen Majestät Regierung Schritte unternehmen, um die Mitarbeit aller Juden zu sichern, die gewillt sind, bei der Errichtung der jüdischen nationalen Heimstätte zu helfen. […]
Artikel 6. Die Verwaltung Palästinas soll unter der Sicherung, daß die Rechte und die Lage anderer Teile der Bevölkerung nicht beeinträchtigt werden, die jüdische Einwanderung unter geeigneten Bedingungen erleichtern und in Zusammenarbeit mit der in Artikel 4 erwähnten ,,Jewish Agency" eine geschlossene Ansiedlung von Juden auf dem Lande, mit Einschluß der nicht für öffentliche Zwecke erforderlichen Staatsländereien und Brachländereien, fördern. [...]

Aus:E. Marcus:, ,,Palästina - ein werdender Staat", in: Frankfurter Abhandlungen zum modernen Völkerrecht, Heft 16, Leipzig 1929, S. 262-269. Text online: dpg-netz
Gemeinfrei
 

 

 

 

 

 

A2.2. Gewalttätige Zusammenstöße zwischen Arabern und Juden 1920/21 (Überblick)

Zu Beginn des britischen Mandats kam es bereits zu einigen gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Arabern und Juden in Palästina, während es dann bis zum Ende der 1920er Jahre relativ friedlich blieb, nicht ohne Spannungen. Anlässe und Gründe der Zusammenstöße lassen sich so kategorisieren:

1. Eine Quelle für ständige Konfrontationen war der Haram al-Sharif (oder ...ash-Sharif), der Tempelberg mit den islamischen Heiligtümern Felsendom und Al-Alsa-Moschee auf der einen Seite und der Klagemauer, der westlichen Umfassungsmauer und einzigem Relikt des alten antiken jüdischen Tempels, in der Jerusalemer Altstadt. Der.“Kampf” um die Heiligen Stätten war ein ständiger, fast jährlich zu Problemen führender Streitpunkt durch die zunehmende Zahl von Jüdinnen und Juden, die die Klagemauer freitags besuchten ( Schabbat), währen die muslimische Bevölkerung am Samstag in die Moschee ging. Die Klagemauer konnte damals nur durch eine Gasse besucht werden, die zu dem kleinen “marokkanischen” Viertel bestand (nach dem Sechstagekrieg abgerissen). Siehe Karte unten.

2. Eine zweite Quelle für Spannungen waren “nachbarschaftliche” Konflikte, die sich dann schnell emotional und politisch aufheizen konnten und zu gewalttätigen Zusammenstößen führten, die in keinem Verhältnis zum relativ banalen Anstoß des Ganzen standen.

3. Die weitgehend selbst ernannte, aus den etablierten angesehenen Familien noch aus der osmanischen Zeit stammende palästinensischen Führungsschicht, angeführt von Vertretern der Husseini, protestierte von Anfang an gegen die Mandatsherrschaft, die Abtrennung Palästinas von Syrien und die Balfour-Deklaration. Sie lehnten jede jüdische Immigration ab. Gleichwohl gab es eine innere Kluft zwischen den Christen und Muslimen dabei, die sich im Laufe der Zeit zu einer tiefen Krise entwickelte. Die muslimische Führung unter Vertretern der Familie der Husseini, darunter dem Mufti (seit 1921) Hadj Amin al-Husseini [1]i, heizte die Spannung an und organisierte gezielte Konfrontationen wie beim Nabi Musa-Fest 1920 (siehe unten).
Demgegenüber stellte sich die jüdische Führung, die von Anfang an aus gewählten Vertretern bestand, aus der Erfahrung der ersten Konfrontationen 1920 und 1921 auf zukünftige gewalttätige Zusammenstöße ein durch den Aufbau einer Selbstverteidigungstruppe, die Haganah. Die Ablehnung der legalen Einwanderung und Ansiedlung durch die arabische Führung bestärkte den radikalen Flügel innerhalb der Zionisten, der jedoch nie ene Mehrheit innerhalb des Yikschuv, der jüdischen Gemeinschaft in Palästina, finden konnte.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[1] Mufti von Jerusalem Amin a-Husseini Wikipedia

Die Klagemauer (Wailing Wall, Western Wall) bis 1967

Bonfils,_Fèlix_245._Mur_des_juifs_un_vendredi_n._245

Foto des französischen Fotografen und Orientreisenden Félix Bonfils. Nr. 245 “Mur des Juifs, un vendredi” - “Mauer der Juden, an einem Freitag”, ca. 1880. Wikimedia Commons
 

Links im Bild die Hausmauern des Marokkanischen Viertels (Mughrabi-Viertel), das nach dem Sechstagekrieg abgerissen wurde. Die auf dem Foto dargestellte räumlich Situation bestand so also bis 1967. Allerdings lebten nach dem Unabhängigkeitskrieg und der Teilung Jerusalems 1948 mit Vertreibung der jüdischen Bevölkerung keine Juden mehr in der Altstadt Jerusalems, die jordanisch wurde.

a) Nabi-Musa-Fest Ostern 1920 in Jerusalem

Jerusalem-nabi-moussa-april-1920

Ankunft von Pilgern bei Nabi-Musa-Fest in Jerusalem 4.4.1920. (Genauere Lokalisierung unklar). Wikipedia
 

 

In der ersten April-Woche 1920 trafen das jüdische Pessach-Fest, das christliche Ostern und das muslimische Nabi-Musa-Fest, zeitlich zusammen. Die muslimische Pilgerreise zu Ehren des Propheten Moses entstand in großem Ausmaß erst in jüngerer Zeit, sie führte die Pilger über die Zwischenstation in Jerusalem zu einem Wallfahrtsort mit dem vermuteten Grab des Moses in der Wüste von Judäa zwischen Jerusalem und Jericho, eine Kultstätte, die es seit dem 13. Jh. gibt. [2]
Schon vor dem Fest hatten die arabischen Nationalisten unter der Ägide des Jerusalemer Bürgermeisters Musa Kazim al-Husseini (oder Husaini / engl. Husayini) Demonstrationen gegen den Zionismus und gegen die Briten in Jerusalem veranstaltet und im April führten sie auch Platen mit “Feisal König von Syrien” mit sich (zu Feisal siehe oben, A2). Der Kampf Feisals und der arabischen Nationalisten in Syrien führten noch bis 1922 zu Aufstand gegen die Franzosen, der äußerst blutig niedergeschlagen wurde.
Bei der Feier in Jerusalem dafür vom 4.-7. April 1920 vermischten somit religiöser und politischer Sprengstoff, zumal eine der Auseiandersetzungen um die Klagemauer damit verbunden war, da die Verwaltung des Haram am oberen Abschluss Restaurierungsmaßnahmen durchführen wollte, gegen die die jüdische Führung bei Mandatsverwaltung energisch protestierte.
Alle Seiten waren auf eine Konfrontation vorbereitet: diejenigen,die sie provozieren wollten, und diejenigen, die sie erwarteten, darunter auch die britische Verwaltung, die alles mit einem hohen Aufgebot an Soldaten absicherte. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass es Überfälle auf jüdische Häuser und Jeschiwas (religiöse Schulen, von denen es in Jerusalem viele gab) mit Vandalismus, Raub, Verwaltigung und Morden an jüdischen Bewohnern oder Fußgängern auf der Straße. Die Bewohner der Altstadt waren unbewaffnet. Währenddessen verhafteten die Briten bewaffnete Juden aus der Selbstverteidigungstruppe außerhalb der Altstadt, dei Vladimir Jabotinsky [3] kurz zuvor aufgestellt hatte. Im Vergleich zu dem, was 1929 passierte (siehe unten), war dies von der Dimension her noch “gering”, doch für die Juden, die aus Russland emigriert waren, erinnerte es an die dortigen Pogrome.
Es gab unter der jüdischen Bevölkerung 5 Tote, 216 Verletzte und 18 Schwerverletzte; unter der arabischen 4 Tote, 23 Verletzte und ein Schwerverletzter, hier v.a. in Folge des Eingreifens der Soldaten. 
Die noch amtierende Militärregierung als provisorische Mandatsverwaltung unter Colonel Storrs, zugleich Gouverneur von Jerusalem, identifizierte die Führung der Husseini-Familie als Drahtzieher, Amin al-Husseini, der spätere Muftig, war schon geflohen, Bürgermeister Musa Kazim al-Husseini [4] wurde seines Amtes enthoben und durch den Christen Raghib al-Nashashibi [5] ersetzt.

W.G.

Vgl. Tom Segev: Es war einmal ein Palästina. Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. München (Siedler) 2005, S. 146-158. Vgl. auch Nabi-Musa-Unruhen Wikipedia
 

[2] Nabi Musa Kultstätte Wikipedia

 

 

 

 

 

 

[3] Vladimir Zeev Jabotinsky Wikipedia

[4] Musa Kazim al-Husaini Wikipedia

[5] Raghib al-Nashashibi Wikipedia

 

b) Jaffa 1921

Der Ausgangspunkt der Zusammenstöße in Jaffa und davon ausgehend in anderen Städten Palästinas hatte sehr spezielle Gründe, die dadurch in Gang gesetzte Eskalation folgte aber einem immer wiederkehrenden Schema. Jaffa und Tel Aviv, damals noch ein Stadtteil oder Vorort von Jaffa, waren Hochburgen der jüdischen Linken und extremen Linken, Jaffa selbst ein alter arabischer Ort mit einem neuen jüdischen Bewohneranteil.
Am 1. Mai 1921 führte die jüdische Kommunistische Partei eine von den Behörden verbotene Maidemonstration von Jaffa nach Jerusalem durch mit Aufrufen, “die britische Regierung zu stürzen und die Räterepublik Palästina zu errichten” [6], während ihre jüdischen sozialistischen Rivalen von der Arbeiterpartei eine genehmigte Parade in Tel Aviv durchführen durften. Zwischen beiden kam es zu Rangeleien, an denen sich offenbar auch Araber gegen die Kommunisten beteiligten, und so wurde daraus schnell ein Konflikt zwischen Juden und Arabern, der sich auf andere Städte ausbreitete. Einiges ist unklar geblieben, aber Zeugen von allen Seiten berichteten: “Arabische Männer drangen in jüdische Häuser ein und ermordeten die Bewohner, die Frauen kamen hinterher und plünderten.” [6]. Arabische Polizisten im Dienst der Briten beteiligten sich offenbar daran. Noch viel stärker als im Jahr zuvor in Jerusalem glich dies einem Pogrom aus Russland: Geschäfte wurden geplündert und Fußgänger getötet, in den Häusern auch Frauen und Kinder, zum Teil auf bestialische Weise.

Zeugen berichteten, dass sie Nachbarn unter den Tätern erkannt hatten, andere Nachbarn halfen den bedrohten Juden. Jüdische Einwohner wiederum rächten sich an ihren arabischen Nachbarn. Dies zog sich bis zum 7. Mai hin.
In sechs weiteren Orten mit jüdischen Einwohnern kam es ab dem 5. Mai zu Nachahmungstaten, wenn auch in geringerem Ausmaß. Jaffa hatte mit 43 von 47 jüdischen Todesopfern die meisten zu beklagen sowie 134 von 146 Verwundeten, gegenüber insgesamt 48 getöteten Arabern, davon 14 in Jaffa, und 73 Verwundeten, davon 59 in Jaffa. 

W.G.

Vgl. Offizieller Bericht der “Haycraft Commission”: Palestine. Disturbances in May, 1921. Reports of the Commission of Inquiry, London (His Majesty’s Stationary Office) 1921. Internet Archive


 

[6] Zitate aus: Segev, Palästina (s. oben), S. 191f. Vgl. insgesamt die Darstellung S. 190-203.
Vgl. auch Unruhen von Jaffa Wikipedia

 

 

 

A2.3. Bericht des Französischen Außenministeriums über den arabischen Kongress von Nablus, 23.-25. August 1922

Der arabische Kongress, der am 21. August in Nablus zusammentreten sollte, begann seine Arbeit erst am 23., um der aus Europa zurückgekehrten Delegation zu ermöglichen daran teilzunehmen. […]
Nachdem der Kongress für eröffnet erklärt wurde, las Jamal al-Husseini, Sekretär des Exekutivkomitees, einen Bericht, der die Arbeiten der islamisch-christlichen Vereinigung im vergangenen Jahr zusammenfasste. Dann berichtete Hajj Toufiq Hamad, Vizepräsident der nach London entsandten Delegation, über die Art und Weise, mit der die Delegation ihre Mission hinter sich gebracht hatte. Er insistierte auf der Notwendigkeit einer engen Union zwischen den arabischen Ländern. Nach ihm gab der Sekretär der nach Mekka entsandten Delegation eine enthusiastische Beschreibung der Pilgerfeierlichkeiten, wo die Entschlossenheit des Islam bekräftigt wurde, bis zuletzt gegen die Unterwerfung Palästinas durch die Juden zu kämpfen.
 

Auf diesem Kongress versammelten sich arabische Nationalisten aus Palästina nach der Rückkehr einer Delegation aus London. Der Kongress wurde von den Erfolgen der türkischen Nationalisten unter Kemal Atatürk gegen die europäischen Pläne für die Türkei beflügelt.

Schließlich beschloss der Kongress:
1. Dass die Araber an dem Votum für die Wahl der neuen legislativen Versammlung nicht teilnehmen würden.
2. Dass die jüngst aufoktroyierte Verfassung  von ihnen nicht anerkannt würde.
3. Dass sie den Boykott der jüdischen Händler organisieren würden.
4. Dass eine Delegation nach Arabien entsandt würde um die wichtigsten Oberhäupter zu bitten einen panarabischen Kongress einzuberufen.
5. Eine zweite nach Ankara, die sich der Unterstützung der türkischen Nationalisten versichern sollte.
6. Eine dritte nach Amerika, deren Spezialaufgabe darin bestünde Gelder zu sam-meln.
7. Dass in London ein dauerndes Büro eröffnet werden sollte um die Arbeit der gerade zurückgekehrten Delegation fortzusetzten.
8. Dass kein Landverkauf an Juden mehr stattfinden dürfte; eine arabische land-wirtschaftliche Bank würde gegründet.
9. Dass Gesellschaften in allen Dörfern gebildet würden und dass eine Steuer von zwei Piastern pro Kopf auferlegt würde um die Ausgaben der Vereinigung zu decken.
Der Kongress schloss am Nachmittag des 25.

Aus: Henry Laurens: Le Retour des Exilés. La Lutte pour la Palestine de 1869 à 1997. Paris (R. Laffont) 1998, S. 337. Übers. W.G. - Aus dem Archiv des Französischen Außenministerium, mit Genehmigung (siehe rechte Spalte) .

 

 

 

 

 

Copyright: Ministère des Affaires Etrangères, Nantes, Jérusalem, B. 101, Bulletin de renseignements n°6, 1. congrès de Naplouse,
Genehmigung für diese Veröffentlichung durch Archives diplomatiques, Paris, 29.7.2024
Keine weiteren Veröffentlichungen ohne Genehmigung.

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Hier warten wir noch auf die Genehmigung für eine Quelle

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A2.4. British White Paper, Juni 1922

Der Minister für die Kolonien*  hat die bestehende politische Situation in Palästina erneut geprüft, mit dem sehr ehrlichen Wunsch, zu einer Lösung der offenen Fragen zu gelangen, die bei bestimmten Bevölkerungsgruppen zu Unsicherheit und Unruhe geführt haben. […] Die Spannungen, die von Zeit zu Zeit in Palästina herrschten, sind hauptsächlich auf Befürchtungen zurückzuführen, die sowohl von Teilen der arabischen als auch von Teilen der jüdischen Bevölkerung gehegt werden. Diese Befürchtungen basieren, was die Araber betrifft, teilweise auf übertriebenen Interpretationen der Bedeutung der im Auftrag der Regierung Seiner Majestät am 2. November 1917 gemachten [Balfour-] Deklaration, die die Errichtung einer jüdischen Nationalen Heimstätte in Palästina begünstigt.
Es wurden nicht autorisierte Erklärungen abgegeben, wonach der Zweck darin bestehe, ein vollständig jüdisches Palästina zu schaffen. Sätze wurden verwendet, dass Palästina „so jüdisch wie England englisch“ werden solle. Die Regierung seiner Majestät hält eine solche Erwartung für undurchführbar und hat kein solches Ziel vor Augen. […] Sie möchte darauf aufmerksam machen, dass die Bestimmungen der genannten Erklärung nicht vorschreiben, dass Palästina als Ganzes in ein jüdisches Nationalheim umgewandelt werden sollte, sondern dass ein solches Zuhause „in Palästina“ gegründet werden sollte. [...]

Yale Law School – The Avalon Project. Übers. W.G.
Gemeinfrei
 

* Zu diesem Zeitpunkt Winston Churchill.

 

 

 

 

A2.5. Tagebuchaufzeichnung eines Palästinensers über den Ausbruch der gewaltsamen Konfrontation an der Klagemauer. 16.8.1929

Akram Zu’ayter war Lehrer in Nablus und palästinensischer Aktivist. Die Nachricht von den Ereignissen in Jerusalem erreichten ihn während der Ferien.

Am 16. August 1929, als ich meine Schulferien in Nablus verbrachte, erreichten uns Nachrichten aus Jerusalem über die Ereignisse und Auseinandersetzungen zwischen Arabern und Juden und bewirkten eine außergewöhnliche Aktivität. Ich erkundigte mich also danach, was wirklich in Jerusalem geschah und erfuhr, dass eine große jüdische Demonstration gestern (15. August) zur Klagemauer gezogen war. Dort schwenkten die Demonstranten die zionistische Fahne und begannen ihre Nationalhymne zu singen und „Die Mauer ist unsere Mauer“ zu proklamieren sowie extremistische Parolen zu rufen. Daraufhin kam es zu einem Zusammenstoß mit den Arabern.
Da an diesem Tag das Geburtstagsfest des Propheten war (Mouled) und zudem ein Freitag, waren Zwischenfälle nach dem Gebet zu befürchten. Die Luft war elektrisch geladen. Die vorherrschende Meinung war, dass sich die Juden des Buraq [1] bemächtigen wollten. Wir warteten bis zum Abend und die Neuigkeiten kündigten uns an, dass die Gläubigen auf dem Haram al-Sharif [2]  nach dem Gebet zur zur Klagemauer demonstrieren gingen und dass sie dort die Estrade des jüdischen Priesters demolierten und die Wunschzettel verbrannten, die die jüdischen Besucher der Klagemauer gewöhnlich in die Spalten und Zwischenräume der Mau-er steckten. Die Spannung unter den Juden erreichte so ihren Höhepunkt.
Übrigens ist eine Gruppe junger Leute aus Nablus heute Morgen nach Jerusalem aufgebrochen um anlässlich des Festes zu Mohammeds Geburtstag in der Al-Aqsa-Moschee zu beten und um mit den Gläubigen an ihren Protesten gegen den Angriff der Juden auf den Buraq teilzunehmen. […]
 

 

 

 

 

 

{1] Buraq: Arab. Bezeichnung für die Klagemauer mit Anspruch auf die Zugehörigkeit zum islamischen Heiligtum Haram al-Sharif (oder – ash-Sharif), siehe nächste Anmerkung..

[2] Haram al-Sharif (oder ...ash-Sharif) „Edles Heiligtum“, arab. Bezeichnung für den Tempelberg.

Am Samstagabend, dem 17., empfingen wir weitere Informationen von jenen, die im Auto von Jerusalem zurückkamen. Wir erfuhren so, dass der Aufruhr sich ausgedehnt hatte. Zunächst erstach ein Araber einen Juden, an einem Buchara genannten Ort [=Stadteil]: Der Jude spielte Fußball und war in den Garten dieses Arabers gekommen um seinen Ball zu holen, der vom Spielplatz aus dorthin gerollt war. Der Besitzer des Gartens hat ihn erstochen. Es brach eine Schlägerei aus zwischen der jüdischen Mannschaft, die sich für einen der ihren einsetzte, und den Arabern, die zum Kampf bereit waren. Die Schlägerei brachte zwölf verletzte Juden und fünfzehn Araber (die Nachricht kam bereits übertrieben in Nablus an [3]). Dann gingen die Juden auf die Häuser los, die Arabern gehörten, und verletzten ihre Bewohner; sie griffen ebenfalls arabische Bauern an, die die jüdischen Viertel durchquerten um in die Stadt zu gehen; die Wut der Araber entfesselte sich und sie griffen ihrerseits jeden jüdischen Passanten in ihren Vierteln an.

Am 20. August, nach dem Tode des jüdischen Fußballers namens Abraham Misrahi, verwandelte sich das Begräbnis in eine Demonstration, bei der gewalttätige Reden gegen die Araber gehalten wurden. Die Spannung stieg und erreichte ihren Höhepunkt am Freitag, den 23. August: Demonstranten verließen die Al-Aqsa-Moschee und zogen zum Hebron-Tor und zum Tor Al-Amoud [Damaskus-Tor]. Die Angriffe auf die Juden griffen auf die Vororte der Stadt über.

Am Samstag Morgen, dem 24. August, ging ich in Nablus aus dem Haus und fand eine wutgetränkte Stimmung vor; ich hörte Gerüchte, dass die Juden die Al-Aqsa-Moschee angegriffen hätten und sie Araber abschlachteten.
Ich sah, wie sich die Leute mobilisierten um eine Kundgebung abzuhalten und die Kaserne anzugreifen um sich Waffen zu besorgen und unseren Brüdern in Jerusalem zu helfen. Und obwohl ich Lehrer in einer staatlichen Schule war, also ein Beamter der Regierung, antworte ich zunächst auch auf den Appell des Vaterlandes und schloss mich dem Zug der Demonstranten an und wurde schließlich zum Redner. […]

Muzakkirat Akram Zu’ayter, Mu’ssat al arabiyya lil-dirasat wa-l-nashr, Beirut 1994, S.38ff., nach: Henry Laurens: Le Retour des Exilés. La Lutte pour la Palestine de 1869 à 1997. Paris (R. Laffont) 1998, S. 394f. – Übers. W.G.
Rechtelage unklar. Der Rechteinhaber möge sich im Zweifelsfall bei mir melden. W.G.
 

[3] Kommentar des Tagebuchschreibers, offenbar im Nachhinein.

 

 

 

 

 

A2.6. Das Massaker von Hebron, 23./24.8.1929

Palestine_Bulletin_2.9.1929

Die Zeitung wurde von der Palestine Telegraphic Agency in Jerusalem herausgegeben und war die erste englischsprachige Zeitung im Mandat Palästina.


Titelzeile der Ausgabe der Zeitung vom 2.9.1929. Berichtet wurde dort über die an verschiedenen Orten gleichzeitig verübten Massaker an der jüdischen Bevölkerung in Palästina. Das vom Hebron war das größte und ging entsprechend in die historische Erinnerung ein.
Die Ermordung von 67 Mitgliedern der alteingesessenen jüdischen Gemeinde und Studenten der dortigen Religionsschule - also keine zionistischen Einwanderer - durch arabische Attentäter in einem Pogrom stellt einen Angelpunkt des jüdisch-arabischen Verhältnisses im historischen Palästina dar. Ca. 435 Menschen überlebten den Pogrom dank der Hilfe arabischer Nachbarn. Auch von daher ist dies ein Symbol für die Situation zwischen Juden und Arabern zur Zeit des britischen Mandats.

Zum Massaker von Hebron steht in der Zeitung:
 

 

Um 8:30 am Samstag, den 24. Aufgust, füllte eine sehr große Anzahl von Arabern die Straßen von Hebron, überfielen über die Häuser der Juden und eröffneten eine Szene von Raub, Vergewaltigung und Mord. Die Ereignisse, zusammengestellt aus der Erzählung der örtlichen Einwohner, fanden wie folgt statt.
Am Freitag, den 23. August, schickten die jüdischen Einwohner von Hebron in Vorahnung des kommenden Sturms eine Delegation unter Einschluss der Rabbis Slonim, Kastel (später ermordet) und Kranko zum District Officer und baten um Schutz. Mr. Abdallah Kardous versicherte der Delegation, dass es “nichts gab, wovor man Angst haben musste.”
Um 2:30 am selben Nachmittag schwärmten Araber durch die Straße, zerschlugen das Türschloss, drangen in die örtliche Yeshiva ein (Jüdische religiöse Schule) und töteten Samuel rosenholz, einen der Studenten. Ein Reihe von Polizisten, mit Polizeiknüppeln bewaffnet, zerstreuten sie.
Freitag Nacht verlief ruhig.
Samstag Morgen versammelten sich Mengen von bewaffneten Arabern unweit des Distrikt Büros. Unter ihnen, zusätzlich zu den Stadtbewohnern, wurden Araber aus den benachbarten Dörfern erkannt, Dura, Halkul und Jatta (was den Ruf hatte, den Juden freundlich gesinnt zu sein), und eine Zahl von Beduinen.
Sie kamen durch die Straße der Juden. Ungefähr acht oder zehn Polizisten waren in den Straßen, aber machten keinen Versuch, dem Mob den Weg zu versperren. [...]
 

 

[Es folgen detaillierte Beschreibungen von Überfällen auf Wohnungen und Synagogen mit Vergewaltigungen, Morden und Verstümmelungen].

Ungefähr vierzig Juden sammelten sich im Haus von E. D. Slonim, dem örtlichen Vertreter der Anglo Palestine Bank, einem der prominentesten Männer von Hebron, der sehr freundlich zu den Arabern eingestellt war. Die Hooligans brachen ins Haus ein, ermordeten 18 Leute, verwundeten viele, einige entkamen, indem sie sich in Toiletten versteckten. Unter den Ermordeten in diesem Haus waren einige amerikanische Jungs, Studenten der Yeshiva, ein Rabbi as Zichron Jacob und seine Frau, der Sekretär der Yeshiva und Slonim selbst.
Die meisten der Juden, die gerettet wurden, verdanken ihr Leben dem Schutz arabischer Freunde. Viele wurden unter den Leichen der Ermordeten für tot gehalten.
Insgesamt wurden 59 Juden getötet und etwa 70 verletzt. Fünf Rabbis waren unter den Mordopfern.
Alle Juden von Hebron wurden nach Jerusalem gebracht.

Die ganze Ausgabe der Zeitung steht online bei der National Library of Israel Palestine Bulletin, 2 September 1929
Gemeinfrei
 

Die Details konnten für den örtlichen Polizeibericht deswegen so genau festgehalten werden, weil es von jüdische Seite (Überlebende) und von arabischer Seite (z.T. mittelbar Beteiligte) sowie von Polizisten Augenzeugenberichte gab.
Vgl. Tom Segev: Es war einmal eein Palästina. Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. München (Siedler) 2005, S. 351-355. Siehe auch  Wikipedia

 

 

A2.7.  Arabisch-jüdische Solidarität im Konflikt 1929

Aus dem Bericht des Leiters des französischen Generalkonsulats in Jerusalem vom 5.9.1929 über die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Arabern.

Viele Juden wurden von ihren arabischen Nachbarn geschützt. Ich erwähne nur einige Fälle: das arabische Dorf Abu Gosh (15 km von Jerusalem entfernt) hat sich gegen das Massaker an der benachbarten jüdischen Siedlung gestellt und die Ju-den gegen die Angriffe anderer arabischer Dörfer verteidigt. In Hebron verdanken viele Juden ihr Leben den Arabern, die sie in ihren Häusern versteckt haben. In Tiberias war die Brüderlichkeit am weitesten entwickelt: Juden und Araber haben sich wechselseitig verpflichtet, einig zu bleiben und gemeinsam jeden Angriff von außen zurückzuschlagen. Dieser Pakt ist nicht gebrochen worden, trotz der Ansta-chelungen, die von allen Seiten kamen.
Man könnte noch viele Beispiele solcher Solidarität aufzählen. Die oben ge-nannten Fakten sind öffentlich bekannt; sie wurden übrigens von Juden berichtet, die kein Interesse haben die Kriminellen freizusprechen.

Aus: Henry Laurens: Le Retour des Exilés. La Lutte pour la Palestine de 1869 à 1997. Paris (R. Laffont) 1998, S. 398. Übers. W.G.Ministère des Affaires Etrangères, Nantes, Jérusalem, B. 101, Bulletin de renseignements n°6, 1. congrès de Naplouse, - Aus dem Archiv des Französischen Außenministeriums, mit Genehmigung, siehe rechte Spalte..
 

 

 

Copyright:
Ministère des Affaires étrangères, 1918-1929, XXIII, 59, 5 septembre 1929. 
Genehmigung für diese Veröffentlichung durch Archives diplomatiques, Paris, 29.7.2024
Keine weiteren Veröffentlichungen ohne Genehmigung.

Wird ergänzt...

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Bearbeitungsstand / update 18.8.2024

Mit der Eroberung Palästinas durch die Briten unter General Allenby und der Kapitulation des Osmanischen Reiches am 30.10.1918 begann zunächst die Herrschaft der britischen Militärregierung über Palästina, der dann 1922 offiziell das Mandat des Völkerbundes folgte. Das ursprünglich gemeinsame Mandat für das Territorium westlich und östlich des Jordans wurde 1923 aufgeteilt in Palästina und Transjordanien. Das britische Mandat erstreckte sich auch über Irak, das französische über Syrien und Libanon.

Übersicht:

A2.1. Das Völkerbundmandat, 24. Juli 1922
A2.2. Gewalttätige Zusammenstöße zwischen Arabern und Juden 1920/21 (Überblick): a) Nabi-Musa-Fest 1920, b) Jaffa 1921
A2.3. Bericht des Französischen Außenministeriums über den arabischen Kon-gress von Nablus, 23-25. August 1922
A2.4. British White Paper, Juni 1922
A2.5. Tagebuchaufzeichnung eines Palästinensers über den Ausbruch der gewaltsamen Konfrontation an der Klagemauer 1929
A2.6. Das Massaker von Hebron, 23./24.8.1929
A2.7. Arabisch-jüdische Solidarität im Konflikt 1929

 

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