Quellensammlung Teil A:

1. Entstehung des Zionismus bis zum Ende des Osmanischen Reiches
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A1.1. Theodor Herzl: Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage
Leipzig und Wien: Breitenstein, 1896

[…] Die Judenfrage besteht. Es wäre töricht, sie zu leugnen. Sie ist ein verschlepptes Stück Mittelalter, mit dem die Kulturvölker auch heute beim besten Willen noch nicht fertig werden konnten. Den großmütigen Willen zeigten sie ja, als sie uns emanzipierten. Die Judenfrage besteht überall, wo Juden in merklicher Anzahl leben. Wo sie nicht ist, da wird sie durch hinwandernde Juden eingeschleppt. Wir ziehen natürlich dahin, wo man uns nicht verfolgt; durch unser Erscheinen ent-steht dann die Verfolgung. Das ist wahr, muss wahr bleiben, überall, selbst in hochentwickelten Län¬dern - Beweis Frankreich - solange die Judenfrage nicht politisch gelöst ist. Die armen Juden tragen jetzt den Antisemitismus nach England, sie haben ihn schon nach Amerika gebracht.
[…] Ich halte die Judenfrage weder für eine soziale, noch für eine religiöse, wenn sie sich auch noch so und anders färbt. Sie ist eine nationale Frage, und um sie zu lösen, müssen wir sie vor allem zu einer politischen Weltfrage machen, die im Rate der Kulturvölker zu regeln sein wird.
Wir sind ein Volk, ein Volk.
Wir haben überall ehrlich versucht, in der uns umgebenden Volksgemeinschaft unterzugehen und nur den Glauben unserer Väter zu bewahren. Man lässt es nicht zu. Vergebens sind wir treue und an manchen Orten sogar überschwängliche Patrioten, vergebens bringen wir dieselben Opfer an Gut und Blut wie unsere Mitbürger, vergebens bemühen wir uns, den Ruhm unserer Vaterländer in Künsten und Wissenschaften, ihren Reichtum durch Handel und Verkehr zu erhöhen. In unseren Vaterländern, in denen wir ja auch schon seit Jahrhunderten wohnen, werden wir als Fremdlinge ausgeschrien; oft von solchen, deren Geschlechter noch nicht im Lande waren, als unsere Väter da schon seufzten. Wer der Fremde im Lande ist, das kann die Mehrheit entscheiden; es ist eine Machtfrage, wie alles im Völkerverkehre. […] [S.11]

 

Siedlungsprojekte im Heiligen Land aus religiösen Gründen von Christen und Juden gab es schon vor Theodor Herzl, auch den säkularen Anspruch auf Rückkehr der Juden in die alte Heimat. Herzl schaffte es jedoch, daraus eine organisierte Bewegung des Zionismus ins Leben zu rufen.

Zion: Nach dem biblischen Berg Zion anderer Name für Jersalem.

 

 

 

 

Die Notlage der Juden wird niemand leugnen. In allen Ländern, wo sie in merk-licher Anzahl leben, werden sie mehr oder weniger verfolgt. Die Gleichberechtigung ist zu ihren Ungunsten fast überall tatsächlich aufgehoben, wenn sie im Gesetze auch existiert. […]

Die Angriffe in Parlamenten, Versammlungen, Presse, auf Kirchenkanzeln, auf der Straße, auf Reisen - Ausschließung aus gewissen Hotels - und selbst an Unterhaltungsorten mehren sich von Tag zu Tag. Die Verfolgungen haben verschiedenen Charakter nach Ländern und Gesellschaftskreisen. […]
Ich beabsichtige nicht, eine gerührte Stimmung für uns hervorzurufen. Das ist alles faul, vergeblich und unwürdig. Ich begnüge mich, die Juden zu fragen: Ob es wahr ist, dass in den Ländern, wo wir in merklicher Anzahl wohnen, die Lage der jüdischen Advokaten, Ärzte, Techniker, Lehrer und Angestellten aller Art immer unerträglicher wird? Ob es wahr, dass unser ganzer jüdischer Mittelstand schwer bedroht ist? Ob es wahr, dass gegen unsere Rei¬chen alle Leidenschaften des Pöbels gehetzt werden? Ob es wahr, dass unsere Armen viel härter leiden als jedes andere Proletariat? […]
Tatsache ist, dass es überall auf dasselbe hinausgeht und es lässt sich im klassischen Berliner Rufe zusammenfassen: Juden raus!
Ich werde nun die Judenfrage in ihrer knappsten Form aus¬drücken: Müssen wir schon „raus"? und wohin?
Oder können wir noch bleiben? und wie lange? [S.21-22] […]
 

 

Wir sind ein Volk - der Feind macht uns ohne unseren Willen dazu, wie das immer in der Geschichte so war. In der Bedrängnis stehen wir zusammen und da entdecken wir plötzlich unsere Kraft. Ja, wir haben die Kraft einen Staat und zwar einen Musterstaat zu bilden. Wir haben alle menschlichen und sachlichen Mittel, die dazu nötig sind. […]
Der ganze Plan ist in seiner Grundform unendlich einfach und muss es ja auch sein, wenn er von allen Menschen verstanden werden soll.
Man gebe uns die Souveränität eines für unsere gerechten Volksbedürfnisse genügenden Stückes der Erdoberfläche, alles andere werden wir selbst besorgen. […]
Den Abzug der Juden darf man sich, wie schon gesagt wurde, nicht als einen plötzlichen vorstellen. Er wird ein allmählicher sein und Jahrzehnte dauern. Zuerst werden die Ärmsten gehen und das Land urbar machen. Sie werden nach einem von vornherein feststehenden Plane Straßen, Brücken, Bahnen bauen, Telegraphen errichten, Flüsse regulieren und sich selbst ihre Heimstätten schaffen. Ihre Arbeit bringt den Verkehr, der Verkehr die Märkte, die Märkte locken neue Ansiedler heran. [S.26-27] […]

 

 

Palästina ist unsere unvergessliche historische Heimat. Dieser Name allein wäre ein gewaltig ergreifender Sammelruf für unser Volk. Wenn Seine Majestät der Sultan uns Palästina gäbe, könnten wir uns dafür anheischig machen, die Finanzen der Türkei gänzlich zu regeln. Für Europa würden wir dort ein Stück des Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen. Wir würden als neutraler Staat im Zusammenhange bleiben mit ganz Europa, das unsere Existenz garantieren müsste. Für die heiligen Stätten der Christenheit ließe sich eine völkerrechtliche Form der Exterritorialisierung finden. Wir würden die Ehrenwache um die heiligen Stätten bilden und mit unserer Existenz für die Erfüllung dieser Pflicht haften. Diese Ehrenwacht wäre das große Symbol für die Lösung der Judenfrage nach achtzehn für uns qualvollen Jahrhunderten. [S.29]

Originalausgabe online verfügbar: Uni-Frankfurt;
Gemeinfrei

 

 

 

 

Vgl. auch Der Judenstaat. Text und Materialien 1896 bis heute, herausgegeben von Ernst Piper, Berlin (Philo) 2004.

A1.2. Das Programm des ersten Zionisten-Kongresses in Basel
(Baseler Programm), 31.8.1897
Der Zionismus erstrebt für das jüdische Volk die Schaffung einer rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina. Zur Errichtung dieses Zieles nimmt der Kongress fol-gende Mittel in Aussicht:
1. Die zweckdienliche Förderung der Besiedlung Palästinas mit jüdischen Ackerbauern, Hand¬werkern und Gewerbetreibenden.
2. Die Gliederung und Zusammenfassung der gesamten Judenheit durch geeig-nete örtliche und allgemeine Veranstaltungen nach den Landesgesetzen.
3. Die Stärkung des jüdischen Volkes und Volksbewusstseins.
4. Vorbereitende Schritte zur Erlangung der Regierungszustimmung, die nötig sind, um das Ziel des Zionismus zu erreichen.

Text mit Faksimilé des Originals: Wikimedia
Gemeinfrei

 

 

 

 

 

 

A1.3. Aus dem Briefwechsel zwischen Henry McMahon, britischer Hoch-kommissar in Ägypten, und dem Sherifen  Hussein von Mekka, 1915

Hussein an McMahon, 14.7.1915
In Anbetracht dessen, dass die ganze arabische Nation ohne Ausnahme in den letzten Jahren sich die Erreichung ihre Freiheit zum Ziel gesetzt hat und in Theorie wie Praxis nach den Zügeln ihrer Verwaltung greift; und in Anbetracht dessen, dass sie fand und meinte, es sei im Interesse der Regierung Großbritanniens sie bei der Erreichung ihrer festen und berechtigten Absichten (die auf der Bewahrung der Ehre und Würde ihres Lebens beruhen) zu unterstützen und ihr zu helfen ohne irgendwelche darüber hinausgehenden und davon unabhängigen Motiven,
[…] hält die arabische Nation es für richtig […] die britische Regierung […] um die Zustimmung zu folgenden grundsätzlichen Vorschlägen zu bitten:
Erstens. – England wird die Unabhängigkeit der arabischen Länder anerkennen, […]
Zweitens. – Die arabische Regierung des Sheri¬fen wird anerkennen, dass Eng-land das Vorzugsrecht bei allen wirtschaftlichen Unternehmungen in den arabi-schen Ländern bekommt unter der Bedingung ansonsten gleicher Unternehmens-bedingungen […]
Drittens. – Für die Sicherheit der arabischen Un¬abhängigkeit und der Gewähr-leistung eines sol¬chen Vorzugsrechts bei wirtschaftlichen Unternehmungen wer-den die beiden hohen vertragschließenden Parteien einander gegenseitige 4Unterstützung bieten […]
McMahon an Hussein, 24.10.1915:
[…] Ich bin bevollmächtigt im Namen der Regierung von Großbritannien folgende Versicherungen abzugeben […]:
1. […] Großbritannien ist bereit die Unabhängigkeit der Araber anzuerkennen und zu unterstützten in all den Regionen innerhalb der vom Sherifen von Mekka geforderten Grenzen.
2. Großbritannien wird die Heiligen Stätten gegen jede äußere Aggression schützen und ihre Unverletzlichkeit anerkennen.
3. Wenn es die Lage erlaubt, wird Großbritannien den Arabern mit Rat und Tat zur Seite stehen in diese verschiedenen Territorien die Regie¬rungform zu etablie-ren, die am geeignetsten dafür erscheint. […]

Jewish Virtual Library
Übers. W. Geiger
Gemeinfrei
 

 

Aus dem Briefwechsel entstand ein Abkommen für den gemeinsamen Kampf gegen das Osmanische Reich im 1. Weltkrieg.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

A1.4. Die Balfour-Deklaration 1917

Brief des britischen Außenministers Balfour an Lord Rothschild, Vizepräsident der britischen Vereinigung jüdischer Gemeinden.

Ministerium des Äußeren, 2. November 1917

Mein lieber Lord Rothschild!
Zu meiner großen Genugtuung übermittle ich Ihnen namens Seiner Majestät Regierung die folgende Sympathie-Erklärung mit den jüdisch-zionistischen Bestrebungen, die vom Kabinett geprüft und gebilligt worden ist:
"Seiner Majestät Regierung betrachtet die Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk mit Wohlwollen und wird die größten Anstrengungen machen, um die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern, wobei klar verstanden werde, dass nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und religi-ösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und die politische Stellung der Juden in irgendeinem anderen Lande beein-trächtigen könnte."
Ich bitte Sie, diese Erklärung zur Kenntnis der Zionistischen Föderation zu bringen.
gez.: Arthur James Balfour

Deutsche Übersetzung: BpB 60 Jahre Israel
Gemeinfrei
 

Der Text wurde zwischen der Zionistischen Organisation und dem Ministerium verhandelt, in Vertretung Chaim Weizmanns formulierte Nahum Sokolov mehrere Versionen, die den Briten alle zu weit gingen. Schließlich wurde dieser Wortlaut veröffentlicht:

 

A1.5. Abkommen zwischen Chaim Weizmann und Emir Feisal, 3.1.1919

Seine königliche Hoheit, der Emir Feisal, der das arabische Königreich Hedjaz vertritt und im Namen des arabischen Königreichs Hedjaz handelt, und Dr. Chaim Weizmann, der die zionistische Organisation vertritt und im Namen der zionisti-schen Organisation handelt, eingedenk der Rassenverwandtschaft und der alten Bindungen zwischen den Arabern und dem jüdischen Volk, und in Erkenntnis des-sen, dass das sicherste Mittel zur Verwirklichung ihrer natürlichen Bestrebungen die engstmögliche Zusammenarbeit bei der Entwicklung des arabischen Staates und Palästinas ist, und ferner im Bestreben, das gute Verständnis, das zwischen ihnen besteht, zu bestätigen, haben über folgendes eine Übereinkunft erzielt:

Artikel […]
3. Bei der Etablierung der Verfassung und der Verwaltung Palästinas werden alle Ma߬nahmen getroffen, die nötig sind, um die Umsetzung der Deklaration der bri-tischen Regierung vom 2. November 1917 [= Balfour-Deklaration] nötig vollständig zu gewährleisten.
4. Es sind alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Einwanderung von Juden nach Palästina in großem Umfang zu fördern und anzuregen und die jüdi-schen Einwanderer so schnell wie möglich durch engere Besiedlung und intensive Bodenbearbeitung auf dem Land anzusiedeln. Bei diesen Maßnahmen sind die arabischen Bauern und Pächter in ihren Rechten zu schützen und in ihrer wirt-schaftlichen Entwicklung zu unterstützen.
5. Keine Reglementierung oder Gesetz dür¬fen die freie Ausübung der Religion un-tersagen oder behindern […].
6. Die heiligen Stätten der Muslime werden unter muslimischer Aufsicht stehen.
7. Die zionistische Organisation wird sich nach Kräften bemühen, den arabischen Staat bei der Bereitstellung der Mittel zur Entwicklung seiner natürlichen Ressour-cen und wirtschaftlichen Möglichkeiten zu unterstützen..
8. Die Vertragsparteien verpflichten sich, vor dem Friedenskongress [in Paris] in allen hier behandelten Fragen in völliger Übereinstimmung und Harmonie zu han-deln.
9. Alle Streitfragen, die sich zwischen den Vertragsparteien ergeben könnten, werden der britischen Regierung zur Schlichtung vorgelegt.

Nach der englischen Fassung auf Wikipedia, Übers. W.G.
Gemeinfrei

 

Feisal war der Sohn des Sherifen Hussein von Mekka (siehe 1.3.), der mit den Briten gegen die osmanische Fremdherrschaft gekämpft hatte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wird ergänzt...

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Bearbeitungsstand / update 17.8.2024

Übersicht:

A1.1. Theodor Herzl, Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage, 1896
A1.2. Das Programm des ersten Zionisten Kongresses in Basel (Baseler Programm), 31.8.1897
A1.3. Aus dem Briefwechsel zwischen Henry McMahon, britischer Hochkommis-sar in Ägypten, und dem Sherifen Hussein von Mekka, 1915
A1.4. Die Balfour-Deklaration 1917
A1.5 Abkommen zwischen Chaim Weizmann und Emir Feisal, 3.1.1919

 

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